70 Jahre nach dem Volksaufstand

„Heutzutage wird man oft gefragt, was Freiheit bedeutet, welchen Wert sie hat. Wenn man sich die DDR anschaut, bekommt man eine Vorstellung, was es bedeutet, wenn Freiheit fehlt“, sagt der FDP-Abgeordnete Dirk Bergner. „Der SED-Staat ging gnadenlos mit politisch Andersdenkenden um. 250.000 Menschen wurden inhaftiert, fast 34.000 gegen ein Kopfgeld in die Bundesrepublik verkauft. Tausende wurden zwangsweise umgesiedelt. Es gab mehr als 1000 Tote an der Grenze. Dazu kommen das düstere Kapitel der Zwangsadoptionen sowie das Leid vieler Heimkinder.“ Am 17. Juni jährt sich zum 70. Male der Volksaufstand von 1953. Damals gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße – für Freiheit, mehr Bürgerrechte und gegen die weitere Bevormundung durch die SED-Diktatur. Ihr Aufbegehren wurde gewaltsam niedergeschlagen. 55 Menschen kamen uns Leben. In Weimar wurde der aus Jena stammende Arbeiter Alfred Diener standrechtlich hingerichtet. „Jedem einzelnen Opfer sind wir es schuldig, das ertragene Leid anzuerkennen. Das schließt ein, auch ihren von Überwachung und Drangsalierung betroffenen Angehörigen bei der Bewältigung der Folgen an der Seite zu stehen. Die weitere Aufarbeitung des DDR-Unrechts ist unentbehrlich für den inneren Frieden in unserem Land“, betont Dirk Bergner. Der Thüringer Landtag hat dem Vorschlag der FDP zugestimmt, ein Denkmal an zentraler Stelle zu errichten. Es soll sowohl an die Opfer des SED-Regimes als auch an die Friedliche Revolution von 1989/90 erinnern. Die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen hat einige Veröffentlichungen zum Thema DDR-Diktatur herausgegeben, unter anderem auch zum Volksaufstand 1953. Lesen lohnt sich! Erfährt man doch zum Beispiel in der Broschüre „Jenseits der Städte“ von Autor Jens Schöne, dass mehr als 40 Prozent aller am Volksaufstand beteiligten Gemeinden Dörfer mit weniger als 2000 Einwohnern waren. Dort eskalierten demnach die Proteste früher als in den Städten: Fahnen wurden öffentlich verbrannt, Bürgermeister und LPG-Vorsitzende verprügelt und neue Gemeindevertretungen gewählt. Im kleinen thüringischen Dorf Körner konnte ein Ordnungshüter in letzter Minute verhindern, dass der verhasste Bürgermeister totgeschlagen wurde. Mit dem  Bekanntwerden der Proteste seien auch auf dem Land alle Dämme gebrochen, beschreibt Jens Schöne die Situation – etwa die in Mühlhausen (damals Bezirk Erfurt): „Hier fanden sich Bauern aus den umliegenden Dörfern nach einem Sternmarsch auf die Kreisstadt zusammen. Das hatte insofern einen pikanten Beigeschmack, als Mühlhausen zuvor von der SED propagandistisch zur ,Thomas-Müntzer-Stadt‘, zur ,Stadt des Bauernkrieges‘ stilisiert worden war. Nun erhoben sich die Bauern abermals und trieben den Funktionären die Angst in die Knochen.“ 3000 Protestierende sollen damals in Mühlhausen auf der Straße gewesen sein. Ähnliches wird in „Jenseits der Städte“ von Sömmerda berichtet. In vielen Gemeinden gab es Verhaftungen. In Mühlhausen zum Beispiel marschierte die Rote Armee ein. In vielen ländlichen Regionen wurde der Ausnahmezustand verhängt. Jens Schöne: „…im Gegensatz zu den städtischen Ballungszentren ging der Widerstand in subtileren Formen bis mindestens zum Ende des Jahres 1953 weiter. LPG-Vorsitzende und SED-Kader wurden weiterhin tätlich angegriffen, dorffremde Funktionäre von den Höfen geprügelt. Auf Bauernversammlungen  wurden die Einführung der Marktwirtschaft und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten verlangt.“